Via Appia von oben, 2008, Acryl auf Zeichenpappe
Via Appia von oben, 2008, Acryl auf Zeichenpappe

Über den Unterschied zwischen Demut und Anpassung

Die „Demut“ des Rebellen ist Anpassung zu seinem vermeintlichen Vorteil.

Warum sind Menschen geneigt, auf Gurus und ungeprüfte Autoritäten zu hören und ihnen zu folgen?

Ist dies ein Zeichen der Demut? Ist es ein Hinweis auf eine zwar irregeführte, aber grundsätzliche Neigung, sich einem liebevollen Gott zu unterwerfen und darin demütig zu sein? Ist es ein Erweis des „guten Kerns“ im Menschen, ein Beweis dafür, dass er im tiefsten Grunde seines Wesens ein gottzugewandtes Geschöpf ist? Mitnichten! Vielmehr ist es das stärkste Argument dafür, dass ein ursprünglich guter Keim im Menschen grundsätzlich verdorben ist bzw. durch bestimmte Ereignisse während der Menschheitsgeschichte verdorben wurde. Dieses Verderben des guten Keimes, welches jeder Mensch grundsätzlich seit seiner Geburt in sich zu tragen scheint, ist der Ursprung seiner rebellischen Natur. Diese besteht in dem Willen, wie Gott zu sein. Die meisten Menschen auf dieser Erde sind von Natur aus ausgesprochene Rebellen, was sich schon in ihrem frühen Jugendalter und die gesamte Pubertät hindurch beobachten lässt. Es äußert sich darin, dass sie, besonders im Jugendalter, ständig ihren Eltern widersprechen und alles besser wissen wollen als diese, auch dann, wenn sie keinerlei logischen Argumente gegen die Erfahrungen, Ratschläge und Anweisungen der Eltern ins Feld zu führen haben. In der Bibel wird ein solches Verhalten ein „törichtes“ genannt und die Jugend allgemein als töricht. Ein „Tor“ ist danach ein natürlicher Rebell und ein Mensch, der sich jeder vernünftigen Belehrung widersetzt, nicht seinerseits aus vernünftigen Gründen, sondern weil er glaubt, im gegenwärtigen Zustand schon vollkommen und in seinem eigenen Ich „wie Gott“ zu sein. Torheit ist unabhängig von praktischer Intelligenz. Aus der rebellischen Haltung ergibt sich die Tendenz, sich hochmütig über andere Menschen und Wesen zu erheben und aus ihrem Schaden und Leiden eigene Kraft und eine Erhöhung des Selbstwertgefühls zu schöpfen. Dieses Rebellentum ist klar zu unterscheiden von dem Widerspruch, den sensitive, empathisch veranlagte Kinder ungerechten Anweisungen und Verhaltensweisen ihrer Eltern entgegenbringen. Die Verhaltensweise echter Rebellen, die für den überwiegende Teil der Menschheit typisch ist, besteht unabhängig von einem Streben nach Gerechtigkeit. Warum ordnen sich gerade Rebellen, die ihre eigenen bisherigen Ansichten für wahr und ihre Persönlichkeitsentwicklung für fertig und rechtmäßig halten, nach Durchschreiten ihrer Jugendzeit bevorzugt menschlichen Autoritäten und deren Ansichten fraglos unter? Keineswegs aus einer durch Reife erlangten Demutshaltung und Einsicht in ihre eigene Unvollkommenheit, sondern weil sie in diesen Autoritäten ihren eigenen angenommenen Willen und ihre eigenen Vorurteile verbrieft und bestätigt sehen. Ein eigentliches Wahrheitsstreben ist ihnen, wie auch dem größten Teil der Menschenmassen, fremd. Sie gehen den bequemsten und somit breitesten Weg. Die ehemaligen jugendlichen Rebellen sind meist gerade diejenigen, die sich im Erwachsenenalter der herrschenden bürgerlichen Zeitströmung am ehesten anpassen, denn so bequem – im leiblichen Sinne – es ist, den Stand der eigenen Ansichten, leiblichen Bedürfnisse und Willensimpulse nicht ändern zu müssen, so bequem ist es auch, sich dem herrschenden Zeitgeist und der Mehrheit der Menschen anzupassen, man hat dann mitunter auch weniger Feinde, auf die man spottend herabsehen kann und fühlt sich weniger in seinem gottähnlichen Selbstwert bedroht. Solch eine – letztlich gewissenlose – innere Haltung wird in unserer Gesellschaft notorisch und gerne mit „Demut“ verwechselt.